Mit dem Fahrrad durch Island, Sommer 1996

Ein Reisebericht mit Bildern
Text und Bilder © von Tim Schumacher & Ulrich Priesner
Besucher seit 6.Mai 1998:



VORWORT
Da ich gebeten worden bin, diese Seite, die bisher nur ein virtuelles Fotoalbum war, mit einer kleinen Reisebeschreibung zu schmücken, werde ich das nun tun, das ist gar keine schlechte Idee, denn - obwohl der Urlaub mittlerweile eineinhalb Jahre zurückliegt - kann ich mich in diesem Fall noch an fast alle Strecken und Ereignisse erinnern. Viele Grüße gehen natürlich an Uli, der (1) mitgefahren ist und der (2) den Text nachher hoffentlich nochmal durchlesen und ergänzen wird, aber auch an alle Island-Fans (besonders die ex-Isländisch-Studenten der Uni Köln) und an Frank, der gequengelt hat, ich solle einen Text schreiben, denn es hat mir Spaß gemacht.

Tim, im Januar 1998


REISEDATEN
Okay, fange ich mal ganz nüchtern mit ein paar Daten an:

  • Reisedatum: Anfang Juli - Anfang August 1996
  • Mitreisende: Tim Schumacher & Ulrich Priesner, zwei Fahrräder, ein Zelt & eine Menge Campingkram
  • Strecke (ca. 1500 km): Keflavik - Blaue Lagune - Grindavik - Hveragerði - Selfoss - Hella - Landmannalaugar - Kirkjubaejarklaustur - Skaftafell - Höfn - Egilstaðir - Myvatn - Godafoss - Akureyri - Kjölur - Gullfoss/Geysir - þingvellir - Reykjavik - Keflavik.
  • Opfer: mein Fahrrad (ca. 5 Speichenbrüche, 1 Schlauch) und Tacho verloren ;-(
  • Verbrauch: 1 Tonne Kekse, 50 Lachssalate, 4 Tütensuppen (eine wieder mit nach Hause genommen) u.a.


FRAGEN
Ich freue mich immer über Mails von Euch, ob Ihr jetzt nach Island fahren wollt oder schon da wart oder auch so... Trotzdem stelle ich mal eine kleine Frage & Antwort-Liste zusammen, wo ich ein paar der am häufigsten an mich gestellten Fragen ausführlich beantworte!



DIE REISE - TEIL 1: DER SÜDEN

Die Blaue Lagune

Vor einigen Jahren machte ich mit meinen Eltern auf einem USA-Flug einmal einen Zwischenstop in Island - und es war Liebe auf den ersten Blick. Lange habe ich mir vorgenommen, eine große Reise dorthin zu machen, und, 1996 (ich war zu dem Zeitpunkt Zivi und Uli hatte sein Abi in der Tasche), war es soweit.
Der Hinflug von Frankfurt nach Keflavik war nicht erwähnenswert, außer, daß unser Vorfreude auf Island (dank den Stewardessen von Icelandair) nochmal kräftig gesteigert wurde. In Keflavik durften wir erstmal unsere Fahrräder, die liebevoll ineinander verhakt waren, auseinanderziehen, was ihnen unglaublich gut tat. Die Nacht verbrachten wir gleich auf dem Campingplatz in Keflavik, wo wir erstmals mit der Mitternachtssonne Bekanntschaft machten. Nach einem Großeinkauf in Keflavik ("nehmen wir die billigen Kekse für 4 DM oder doch lieber einen frischen Salatkopf für 8 DM") begann unsere Rundreise durch die Lavalandschaft rund um Keflavik. Am frühen Nachmittag erreichten wir die Blaue Lagune, wo wir allerdings (wieso eigentlich???) auf ein Bad verzichteten und nur ein paar Fotos knipsten. Einige Kilometer später durchquerten wir das Fischerdörfchen "Vik" (Übrigens: "Vik", was sicher die Hälfte aller isländischen Dörfer/Städte im Namen tragen, bedeutet "Bucht"). Durch eine ziemlich felsige Landschaft fuhren wir an der Küste entlang, bis wir an einem See unser Zelt aufschlugen.

Der folgende Tag sollte der schlimmste der ganzen Tour werden. Schon bei unserem morgendlichen Fitneßtraining peitschte uns während der 100 Liegestützen der kalte Regen ins Gesicht... nein, also ehrlich gesagt haben wir uns bis um 12 Uhr Mittags nicht aus dem Zelt getraut, in der Hoffnung, das Wetter könnte sich bessern. Das tat es aber nicht, und da unsere Essensvorräte nicht für einen Ruhetag kalkuliert waren, machten wir uns gegen Mittag auf. "Die nächste Stadt liegt in 30 km," haben wir uns gesagt, "das werden wir schon schaffen!". Mehr als 4 km / Stunde waren bei extremem Gegenwind, Regen und einer völlig aufgeschlammten Straße nicht zu schaffen. Nach ca. 3 Stunden waren wir völlig am Ende, die Kekse waren alle, eigentlich wollten wir uns nur noch in den Straßengraben legen und in Frieden dort liegen bleiben.
Unsere Rettung kam in Form eines Pferdewagens (ohne Pferde), den wir quasi zwangen, anzuhalten. Wir durften mit unseren Rädern in den Pferdewagen reinfahren und standen wie zwei alte, frierende Gäule für die folgenden 20 km dort drin. Den Rest des Tages verbrachten wir in der Jugendherberge und im excellenten Schwimmbad von Hveragerði, das im übrigen für seine Erdbeeren bekannt ist, die in (mittels geothermischer Energie beheizten) Gewächshäusern gezüchtet werden. Letzte Anmerkung am Rande: zwei Österreicherinnen, die in der Nacht zuvor übrigens mit uns an der selben Stelle an dem See gezeltet hatten, kamen gegen 8 Uhr abends völlig fertig auch in der Jugendherberge an und berichteten von den schrecklichsten 30 Kilometern, die sie mit dem Fahrrad je fahren mußten...

Berge von Landmannalaugar

Die nächsten Tage versöhnten uns, die schon am Zweifeln waren, ob das eine gute Idee war, nach Island zu fahren, wieder. Das Wetter war ganz ordentlich, unser nächster Campingplatze hatte zwei kleine Außenwhirlpools mit Blick auf den Vulkan Hekla. Wir entschieden uns für einen Umweg durchs Landesinnere, und zweigten so kurz vor Hella von der Ringstraße ab. Die nächste Etappe war, wenn auch wegen des sehr sandigen Untergrunds schwierig zu befahren, unheimlich schön. Zum Glück erwies sich der angekündigte 300m-breite Fluß mit einer Kreuzung mitten im Fluß dank des regenarmen Sommers als ein "nur" 50 m - Fluß, den wir (wenn auch knietief im Wasser mit den Rädern plus Gepäck auf den Schultern) problemlos durchqueren konnten. Landmannalaugar schließlich - ein kleines Tal inmitten von farbiger, von der spätabendlichen Sonne beschienener Berge, mit einem natürlichen, zirka 35 Grad warmen, aufgestauten Flußbecken, war ganz klar einer der Höhepunkte unserer Tour.

Straße von Landmannalaugar zurück

Dank der Mücken dort verließen wir Landmannalauga aber am nächsten Morgen wieder und fuhren weiter durch eine hügelige und sandige, aber trotzdem wunderschöne Landschaft. Bei einem kurzen Stop bei der Vulkanspalte Eldgigar verließen wir sogar unsere Räder und wanderten ein Stündchen in das Vulkanspaltental hinein. Der nächste Tag brachte uns zurück auf die (geteerte!) Ringstraße und mit mächtig Rückenwind flitzten wir nur so durch den Skeiderasandur (ein Gletscher-Schwemmgebiet; übrigens das Gebiet, das 1997 von dem Vulkanausbruch und der folgenden Gletscherschwemme vollkommen überflutet wurde). Abends kamen wir im Nationalpark Skaftafell an, wo es neben einigen tollen Wasserfällen (Svartifoss, Hundafoss u.a.) auch die teuerste Dusche Islands zu besichtigen gibt (DM 5 für 5 Minuten). Nach einer morgendlichen Wanderung zu den Sehenswürdigkeiten (den Wasserfällen!) fuhren wir auf der Ringstraße weiter zur Gletscherlagune Jökullsarlon, dem wohl schönsten Punkt Islands.





Die Gletscherlagune Jökullsarlon



DIE REISE - TEIL 2: DER OSTEN
Nachdem wir den schönsten Punkt Islands verlassen hatten, kamen wir in den langweilisten Teil Islands - den Osten (wie in Deutschland auch, hihi;-). Die folgenden Tage bestanden größtenteils aus Kilometerfressen. Erst nach Höfn (sprich: "Höpp") durch den Regen, dann durch eine Fjordlandschaft nach Egilstadir. Ne, Moment, da war doch noch was: ich glaube, ich nehme das mit dem langweiligsten Teil nochmal zurück.

Eine der vielen Flußdurchquerungen

Nun (Achtung, Anekdote!), ein gutes Stück vor Egilstadir, ein Platz an einem Flüßchen, an dem wir auch unser Zelt aufgeschlagen hatten, standen wir vor der Wahl, entweder über einen "kleinen Paß" zu fahren, um in ca. 50 km in Egistadir zu sein, oder um einen Fjord herumzufahren, womit sich der Weg auf 120 km verländert hätte. Keine Frage natürlich, daß wir uns für den Paß entschieden... Mal abgesehen von den 600 Höhenmetern (von 0 auf 600 in nur 6 Kilometern) und ca. 20 Flußdurchquerungen ("Du brauchst Deine Gummischlappen nicht ausziehen, da hinten kommt schon der nächste!") war die "Straße" nur ein breiter, dafür aber umso steinigerer Wanderpfad. Oben auf dem Hochplateau passierte dann der Super-Gau: ein Speichenbruch an meinem (Tim's) Hinterrad. An eine Kettenpeitsche hatten wir dummerweise überhaupt nicht gedacht, und so blieb uns nach einigen vergeblichen Versuchen, Ulis Rad (das arme!) als Kettenpeitsche zu benutzen, setzten wir uns auf einen Stein und verbrachten die Mittagspause damit, auf ein Auto zu warten. Tatsächlich kam nach einiger Zeit eins. Der Fahrer zeigte zwar ziemlich wenig Anzeichen von Lust, uns zu helfen, aber wir ließen ihm keine Wahl und stopften mein Rad in seinen Kofferraum...
Als Uli und ich uns am Abend auf dem Campingplatz in Egilstadir wiedertrafen, waren wir uns uneins darüber, was schlimmer war: Ulis Fahrt mit dem Rad 40 km mit starkem Gegenwind oder meine Fahrt in dem kleinen Auto mit dem Isländer, der mit Tempo 50 durch Flüsse und über Steine fuhr und nebenher auf dem Handy telefonierte...

In einem Satz kann ich dann die folgenden drei Tage abhandeln: ca. 250 Kilometer zum Myvatn wollten bewältigt werden, eine relativ wenig abwechslungsreiche Fahrt, einzige Höhepunkte: der einsamste Bauernhof Islands (Mödrudalur), auf dem uns eine Horde Bustouristen entzückt fotografierte und schließlich, kurz vor dem Myvatn, ein Vulkangebiet mit Dampflöchern und Schlammtöpfen (den Umweg von ca. 15 km zur Krafla haben wir nicht gemacht). Doch, ein kleiner Abstecher zum Selfoss war noch drin (allerdings mit dem Auto, auch wenn wir uns diesmal uneins drüber waren, ob es wirklich schlimmer gewesen wäre, die 100 km auf katastrophaler Straße zu fahren, wenn uns dafür der Kleinbus mit den leicht esoterisch angehauchten Deutschen, die versuchten, eine Kassette mit isländischer Volksmusik zu begleiten, erspart geblieben wäre).


DIE REISE - TEIL 3: DER NORDEN

Der Fluß Laxa am Myvatn (1 Tag Angeln
kostet hier in der Hauptsaison ca. 1000 DM)

Nun, wir befanden uns also am Myvatn (="Mückensee"), der, abgesehen von denselben eigentlich ziemlich schön war. Dennoch zogen wir es vor, gleich weiterzufahren - ein Bild von meinem Bein, das nach ca. 2 km Fahrt mit Mücken schwarz bedeckt war, schicke ich auf Anfrage gerne zu. Kurz vor unserem nächsten Etappenziel, dem Godafoss, hatte ich meinen dritten Speichenbruch, und, da uns alle Ersatzspeichen ausgegangen waren, mußte ich ein paar Kilometer schieben. Immerhin hatte der kleine Campingplatz eine prima Sicht auf den Godafoss.
Am nächsten Morgen durften ich und mein Rad wieder Jeep fahren, während Uli die 50 km nach Akureyri strampelte. Akureyri hat übrigens, wenn es sonst auch nicht so viel zu bieten hat, eins der schönsten Schwimmbäder Islands. Außerdem war es lustig, den Jugendlichen bei Ihrer Samstagabendbeschäftigung zuzusehen, die darin besteht, mit dem Auto in langen Kolonnen durch die Innenstadt zu fahren.

Die Weiterfahrt durch den Norden Islands führte uns durch bergiges Land weiter auf der Ringstraße, bis wir nach ca. 100 weiteren Kilometer den Einstieg in den Kjölur erreichten. (Der Kjölur ist die eine der zwei großen Hochlandstraßen Islands, die das Land von Norden nach Süden durch das völlig unbewohnte Hochland verbinden). Unsere Fahrradtaschen waren prall mit Essen für die drei Tage Einöde, die uns erwarteten, gefüllt, und so begannen wir mit dem langsamen Anstieg ins Hochland (auf ca. 600-800m). Durch völlig menschenleere Steinwüsten (allerdings ziemlich häufig von Autos überholt, da der Kjölur der wichtigere der beiden Nord-Süd-Verbindungen ist) strampelten wir Kilometer über Kilometer ab. Die Nacht verbrachten wir auf einem sandigen Plateau, wo es unser Zelt fast weggeweht hätte.

Flußüberquerung auf unkonventionelle Art

Der nächste Tag war nicht sehr freundlich, und auf den ca. 60 km nach Hveravellir, der Zwischenstation (Campingplatz an einem geothermischen Gebiet), kämpften wir mit Niesenregen und Gegenwind. Hveravellir selbst bietet, mal abgesehen von den ganzen Autos, die einen zuvor in eine Staubwolke gehüllt hatten und die man hier wiedertrifft, ein (fast) natürliches warmes Becken zum Ausspannen. Am nächsten Morgen fuhren wir den Rest des Kjölurs (ca. 90km) weiter durch Steinwüsten - "legendär" unser (gestelltes) Foto über die Seilbahn eines Flusses und - wenige Kilometer später die Abfahrt vom ca. 800m hohen Mount Dingsbums durch Nebel und abartigen Regen. Kurz vor dem Gulfoss, den wir uns für den nächsten Morgen aufsparten, schlugen wir unser Zelt auf.


DIE REISE - TEIL 4: WIEDER IM SÜDEN

Der Gulfoss

Wenn Islandreisende (vorzugsweise auf einem Zwischenstopp auf dem Flug nach USA) nur kurz auf der Insel sind, absolvieren sie genau das Tagesprogramm, daß wir uns nun mit dem Fahrrad erradelten. In ca. 60 km Umkreis liegen hier im Süden von Island drei der Hauptsehenswürdigkeiten, der Gullfoss ("Goldener Wasserfall"), die historische Parlamentsstätte þingvellir und natürlich der Geysir. Der große Geysir, der allen anderen geothermischen Springbrunnen der Welt seinen Namen gegeben hat, ist leider nicht mehr aktiv, dafür aber sein kleiner Bruder Strokkur (isländ. "Butterfaß"). Nachdem wir uns alles angesehen hatten und uns über die vielen Bustouristen, die all dies sehen, ohne vorher viele hundert Kilometer zu strampeln, geärgert hatten, fuhren wir über þingvellir in die Reykjaviker Vorstadt Mosfellbaer. Mosfellbaer bietet, abgesehen von der Tatsache, Heimatstadt des isländischen Literaturnobellpreisträges Halldor Laxness zu sein, einen prima Woll-Fabrikverkauf, wo wir uns am nächsten Morgen, vor der Weiterfahrt nach Reykjavik-Downtown, mit günstigen Islandpullis eindeckten.

Der kleine Geysir, Strokkur

In Reykjavik quartierten wir uns auf dem großen Campingplatz direkt neben der Jugendherberge und dem tollen Schwimmbad ein. Reykjavik fanden wir als Stadt nicht sonderlich attraktiv, die wenigen Sehenswürdigkeiten waren schnell abgeklappert und zu unserem Pech war just an diesem Wochenende das große isländische "Der-Sommer-ist-aus-Fest" (Verslunarmannahelgin), an dem die gesamte Bevölkerung aufs Land flieht. Trotzdem interessant fanden wir das Reyjaviker Nachtleben, das sich dadurch auszeichnete, daß man uns als verdreckte Fahrradtouristen nirgenswo reinließ ("not with these shoes") und - sehr amüsant - durch die Horden an super-gestylten Isländern und Isländerinnen, die, unisono mit Anzug bzw kleinem Schwarzen bekleidet, mit je einer Dose Bier in der Hand durch die Straßen liefen.
Zum Glück lernten wir einige jüngere Isländer kennen, die uns zu einer Privatparty mitnahmen. Da bei unserem Eintreffen alle schon mit 2%-igem (!) Dosenbier besoffen waren (das soll erstmal einer nachmachen!), wurde die Party recht lustig.

Nach einigen Tagen verließen wir Reykjavik durch eine mondähnliche Lavalandschaft Richtung Keflavik, denn unser Urlaub war zu Ende. Wenige Kilometer vor Keflavik, dort, wo links die Straße zu Blauen Lagune abbiegt, erreichten wir die Straße, auf der wir zirka 4 Wochen und 1500 km vorher unsere Tour begonnen hatten.

- Ende -


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